Kleine Plauderei von Fritz Kuder, Adelhausen (ca. 1971) mit einer Einleitung von Daniel Kähny
Wie schon öfters berichtet waren wir "Oberdörfler" Kinder Stammgäste bei Gotte Liesbeth und Onkel Hermann im Unterdorf. Ganz besonders interessant war es, wenn Onkel Hermann Besuch hatte. Pater Heinrich Janßen (nicht zu Verwechseln mit dem Weihbischof Heinrich Janßen) war Missionar bei den Steyler Missionaren und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Westindien, dem heutigen Indonesien. Seine Geschichten faszinierten uns Kinder ganz besonders, in einer Zeit wo es kein Internet und soziale Medien gab und das Fernsehen sich auf drei Programme beschränkte, die von 16h00 bis 24h00 ausgestrahlt wurden. Lesen sie selbst:
Heinrich Janßen - der reitende Pater
geschrieben von Fritz Kuder (geb. 1897 / gest. 1983) ca. 1971
geschrieben von Fritz Kuder (geb. 1897 / gest. 1983) ca. 1971
Wer vor wenigen Wochen die Gemeindewege zwischen Adelhausen und Eichsel beschritt oder befuhr, konnte einem seltsamen älteren Reitersmann begegnen, der mit seinen 65. Jahren noch in strammer Haltung auf seinem Pferdchen saß. Trotz teilweiser Tarnung erkannte man in ihm einen Herrn des geistlichen Standes. So war es auch. Herr Pater Heinrich Janßen war schon im vorigen Jahr in Adelhausen zu Besuch. Der Schwarzwald und die Dörfer Adelhausen und Eichsel gefielen ihm so gut, daß er die Vertretung für Pfarrer Wollmann übernahm.
Sein Lebensweg und seine Lebensarbeit sind nicht gewöhnlich. Pater Heinrich Janßen wurde in einer kinderreichen Familie im Wallfahrtsort Kevelaer - Niederrhein geboren. Nach dem Abitur im Missionsgymnasium Steyl/Holl weilte er 2 Jahre als Noviziat im Missionspriesterseminar St. Augustin bei Siegburg. Dann studierte er zwei Jahre Philosophie und war ein Jahr als Lehrer am Missionsgymnasium zu St. Wendel/Saargebiet tätig. Von 1933 bis 1937 studierte er in St. Augustin Theologie und war nochmals ein Jahr als Lehrer am Missionsgymnasium zu St. Arnold/Westfalen tätig.
Nach dieser Ausbildungszeit kam er als Jungmissionar auf die Insel Timor, die nordwestlich von Australien liegt und zu Niederländisch-Indien gehörte. Der westliche Teil, mit 315 000 Einwohnern gehörte zu Niederländisch-Indien und der östliche mit 460 000 Einwohnern, zu Portugal. Als Jungmissionar Janßen dort ankam, betrat er eine neue Welt. Das bergige Land war zum großen Teil mit Savannen (Grassteppen) und Buschwerk bedeckt. Fahrwege kannte man im Innern des Landes nicht, es gab nur Trampelpfade. Flüsse waren nicht überbrückt, wer auf die andere Seite wollte, mußte durch die Fluten.
Entsprechend der Verkehrswege waren auch die Verkehrsmittel. Die Einheimischen gingen meist zu Fuß, besaßen aber auch Fahrräder und Reittiere. Die Pater hatten dazu noch Motorräder, denn sie mußten oft Strecken bis zu 80 km zurücklegen. Das Reitpferd hatte Vorrang. Kam der Bischof zu Besuch, wurde er kilometerweit vor der „aus Baumstämmen und Brettern errichteten Kirche“ von der Bevölkerung empfangen.
Ein Missionspater muß vielseitig sein, denn die Hilfe, die nicht nur aus der religiösen Unterweisung bestand, mußte auch auf die gewerblichen und landwirtschaftlichen Sektor erteilt werden. Sie erfaßte auch die ärztliche Betreuung. Alle Missionare sind auf Spenden aus dem Heimatgebiet angewiesen. Sie bestehen aus abgelegten Kleidern, aus Bar- o. Sachspenden. So hat Pater Janßen bei einem Heimaturlaub seine Hände solange ausgestreckt, bis er neben anderen Dingen einen Jeep-Pkw erstehen konnte. Ein anderes Mal bekam er für drei Aufsätze in einer Aachener Missionszeitschrift 2,5 km Wasserleitung gelegt. Wir sehen, Missionare sind auch erfinderisch.
Im 2. Weltkrieg wurden alle deutschen Pater von den Holländern interniert und mit anderen Landsleuten in ein Gefangenenlager mit 3000 Insassen gebracht. Zuerst auf die Insel Sumatra, dann zu den Engländern, nach Britisch-Indien. 1946 wurden sie nach Deutschland abgeschoben und kamen erst 1949 wieder zurück in ihr Missionsgebiet.
Nach dreißigjähriger Missionstätigkeit auf der Insel Timor, flächenmäßig etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen (34 000 qkm), mit einer braunhäutigen, aber gutmütigen Bevölkerung, wurde Pater Janßen durch ein Herzleiden gezwungen, im Heimatland zu bleiben. Heute betreut er die Insassen eines kl. Krankenhauses in Lembeck/Westf. und hilft mit in der gemeindlichen Seelsorge. Zur Zeit aber freut er sich schon auf den nächsten Aufenthalt auf dem Dinkelberg.